Der Darm ist wichtig für die Aufnahme von Nährstoffen. Interessanterweise wird der Darm nicht vom Gehirn gesteuert - er agiert weitgehend selbstständig. Der Darm ist auch ein bedeutender Teil unseres Immunsystems. Die Darmflora zum Beispiel hat einen grossen Einfluss auf unsere Gesundheit. Zurzeit wird viel auf diesem Gebiet geforscht.
Veränderte Darmbewegungen
Damit der Darm seine Verdauungsarbeit leisten kann, wird der Speisebrei durch Darmbewegungen vermengt und transportiert. Man spricht von der Motilität des Darmes. Reizdarmpatienten zeigen eine veränderte Motilität und Empfindsamkeit des Darms. Die Bewegungen des Darmes sind entweder beschleunigt oder verlangsamt. Ein schneller Darm führt zu Durchfall, ein langsamer zu Verstopfung. Bei Reizdarmpatienten geschieht auch beides im Wechsel. Betroffene Personen spüren auch deutlicher, was in ihrem Darm vor sich geht. Man spricht von einer veränderten Sensorik und erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Dehnungen im Dick- und Enddarm. So können normale Verdauungsprozesse als unangenehm oder schmerzhaft empfunden werden. Der Darm von Reizdarmpatienten reagiert auch anders auf Nahrungsmittel, Fette und Hormone. Stress und emotionale Belastung können die Schmerzempfindung und Motilitätsstörung verstärken.
Beschwerdebild
Man spricht von einem Reizdarm bzw. einem Reizdarmsyndrom, wenn die Bauchschmerzen mindestens drei Monate dauern oder immer wieder Episoden von Bauchschmerzen auftreten. Dazu kommen folgende Symptome:
Von einem Reizdarmsyndrom spricht man erst, wenn diese Beschwerden auch wirklich die Lebensqualität beeinträchtigen. Natürlich müssen auch andere Ursachen für die Verdauungsbeschwerden ausgeschlossen worden sein. Deshalb ist der Gang zum Arzt unumgänglich, um die Diagnose zu stellen. Wenn ausserdem Warnsignale vorhanden sind, muss der Arztbesuch zeitnah erfolgen. Zu solchen Warnsignalen zählen:
Häufigkeit und Ursachen
Schätzungsweise 5-15% der westlichen Bevölkerung sind betroffen, in der Regel etwas mehr Frauen als Männer. Nur ein Teil der Betroffenen sucht auch ärztliche Hilfe. Die meisten leiden an einer milden Form und kommen auch ohne Behandlung gut zurecht. Bei anderen sind die Beschwerden so stark, dass sie in ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit eingeschränkt werden.
Wieso jemand ein Reizdarmsyndrom entwickelt und ein anderer nicht, ist nicht genau bekannt. Es spielen wohl verschiedenen Faktoren eine Rolle, wie die Gene, das Stresslevel und die Umwelt. Nicht selten entwickelt sich ein Reizdarmsyndrom auch nach einer Magen-Darm-Grippe. Auch eine veränderte Darmflora, zum Beispiel nach Antibiotikatherapie, wird als Auslöser diskutiert. Ausserdem sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei Reizdarmpatienten doppelt so häufig wie in der Allgemeinbevölkerung. Dabei handelt es sich jedoch selten um richtige Allergien, sondern vielmehr um eine Unverträglichkeit, weil bestimmte Stoffe von diesen Personen nicht gut vom Darm aufgenommen werden können. Dazu zählen zum Beispiel die Laktose, Fruktose oder Sorbit.
Medikamentöse Therapie
Da bisher keine greifbare Ursache bekannt ist, kann ein Reizdarmsyndrom nicht geheilt, aber die Beschwerden gelindert werden. Die Therapie orientiert sich deshalb an den jeweiligen Symptomen. Bei Krämpfen kommen krampflösende Mittel, bei Verstopfung pflanzliche Ballaststoffe bzw. Stuhlquellmittel (z.B. Flohsamen) oder osmotische Laxantien zum Einsatz. Um den Darm in Schwung zu bringen ist kurzfristig vielleicht ein stimulierendes Laxans nötig. Durchfall mit durchfallhemmenden Medikamenten behandelt, die viele aus der Reiseapotheke kennen. Manchmal sind auch Antidepressiva sinnvoll, die einem beim Umgang mit den Beschwerden helfen. Auch kognitive Verhaltenstherapie und Hypnose können die Beschwerden positiv beeinflussen.
Pflanzliche Arzneimittel
Auch pflanzliche Arzneimittel spielen eine wichtige Rolle in der Behandlung des Reizmagen- bzw. Reizdarmsyndroms. Beispielsweise Zubereitungen aus verschiedenen Pflanzenextrakten oder tibetische Kräutermischungen. Nachweislich bewährt haben sich auch Pfefferminz- und Kümmelöl, insbesondere die Kombination von beiden. Pfefferminzöl aktiviert die Kälterezeptoren der Darmnerven. Das führt auch zur Beruhigung benachbarter Schmerzrezeptoren und macht sie weniger empfindlich. Ausserdem entspannt Pfefferminzöl die Muskulatur des Darmes und wirkt so krampflösend. Kümmelöl hemmt gasbildende Bakterien, wodurch Blähungen reduziert werden. Kombiniert wirken die beiden Pflanzenöle am besten. Damit sie den Magen nicht reizen, sind sie in Kapseln verpackt, die sich erst im Darm auflösen. Dafür sollten die Kapseln vor dem Essen eingenommen werden. In der Apotheke oder Drogerie wird man entsprechend beraten.
Von Dr. pharm. Chantal Schlatter, Apothekerin