Darf es auch ein Generikum sein?

Durch den Einsatz von Generika werden Kosten gespart. Doch ist das in jedem Fall sinnvoll und möglich?

Herr Odermatt steht mit seinem Rezept für einen Blutdrucksenker in der Apotheke. Heute wird er gefragt, ob er statt dem Originalprodukt lieber ein preisgünstigeres Generikum wünscht. Was soll er antworten?

Von Monika Lenzer, Apothekerin

„Generikum“ bedeutet nichts anderes als Nachahmerprodukt. Häufig sehen ein Generikum und sein Original nahezu gleich aus. Ein Beispiel: Das Potenzmittel Viagra ist als kleine, blaue Tablette bekannt. Sechs von sieben Generika sind ebenfalls blau, obwohl das für die Wirkung von keinerlei Bedeutung ist! Der Grund: Durch die Ähnlichkeit wollen die Generikafirmen die Akzeptanz bei den Patienten steigern.

Behördlich geprüft

Denn es stellt sich die Frage: Ist die Kopie wirklich so gut wie das Original? Keine Sorge, ein Generikum muss wie das Originalpräparat vor dem Vertrieb durch die Zulassungsbehörde Swissmedic bewilligt werden. Das Amt prüft, ob das Nachahmerprodukt qualitativ hochwertig hergestellt wird und ein vergleichbares Verhalten bei der Freisetzung und Aufnahme des Wirkstoffes zeigt. Denn als Kopie des Originals reicht es nicht, dass die Generikum-Tablette den gleichen Wirkstoff in derselben Menge enthält. Vielmehr muss der Wirkstoff auch mit derselben Dynamik (z.B. Geschwindigkeit und Ausmass) wie beim Originalprodukt vom Magen-Darm-Trakt in den Körper gelangen. Nur dann werden ähnliche Verläufe der Wirkstoffkonzentrationen erzielt. Du Kunst der Generika-Hersteller besteht nun darin, durch geeignete Hilfsstoffe und Herstellungsverfahren auch diese Eigenschaften zu imitieren. Denn ohne diesen Nachweis der sogenannten Bioäquivalenz kommt kein Generikum auf den Markt.

Teuer, aber fair

Es ist teuer, ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff auf den Markt zu bringen. Die Kosten können sich schnell auf über eine Milliarde Schweizer Franken belaufen. Es ist fair, dass ein Pharmaunternehmen für diesen Forschungsaufwand entschädigt wird. Sonst besteht kein Anreiz mehr, innovative Medikamente zum Wohl unserer Gesundheit zu entwickeln. Daher bietet der Patentschutz über einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren Schutz vor Nachahmern. Doch die Uhr tickt schon früh! Die Patentanmeldung erfolgt meistens im frühen Entwicklungsstadium, weshalb nach der Markteinführung häufig nur noch 10 bis 15 Jahre Schutzzeit übrig bleiben. Parallel dazu verbietet ein 10-jähriger Erstanmelderschutz die Nutzung der Originaldaten zur Qualität, Präklinik und Klinik, die bei der Behörde zwecks Zulassung eingereicht wurden.

Preis im Tiefflug

Endlich! Ist die Schutzzeit vorbei, stehen die Generikafirmen in den Startlöchern. Sie können sich nun auf die klinischen und präklinischen Daten vom Original beziehen. Viele aufwendige und kostspielige Studien entfallen! Dies ist der Hauptgrund, weshalb ein Generikum günstiger sein kann. Damit lassen sich auch die Kosten im Gesundheitswesen senken. Und auch unser eigener Geldbeutel wird geschont. Schliesslich ist es ein Unterschied, ob wir 10% Selbstbehalt für ein Generikum oder ein teureres Originalpräparat bezahlen müssen. Immerhin ist der durchschnittliche Publikumspreis von einem Original im Vergleich zur Kopie um knapp 30% teurer. Hinzu kommt, dass bei einigen Originalen sogar 20% Selbstbehalt anfallen, da die Vertriebsfirma sich weigert, den Preis an den üblichen Generikumpreis anzupassen.

Problemloser Ersatz?

In der Regel sind ein Original und sein Generikum bedenkenlos austauschbar. Doch Vorsicht: Es gibt wenige Arzneimittel, die eine enge therapeutische Breite aufweisen, das heisst, dass bereits eine kleine Überdosis toxisch sein kann bzw. eine kleine Unterdosis wirkungslos. Dazu gehören einige Psychopharmaka, Herzglykoside und Epilepsiemedikamente. Auch wichtig: Original und Generikum können unterschiedliche Hilfsstoffe enthalten. Bei Menschen mit einer Intoleranz oder Allergie auf gewisse Stoffe muss darauf geachtet werden.
Eine Besonderheit sind übrigens Auto-Generika: Kurz bevor der Patentschutz abläuft, bringen Pharmafirmen das Original manchmal als Generikum unter einem anderen Namen auf den Markt. Fortan vertreiben sie sowohl das teure Original als auch das günstige Auto-Generikum, die beide aus der gleichen Herstellmaschine stammen. Das Ziel: Die Originalfirma will Marktanteile gegenüber den anderen Generikafirmen verteidigen.

Tipp

Es gibt auch rezeptfreie Generika. Fragen Sie einfach nach einem günstigeren Schmerzmittel oder Nasenspray bei Ihrem nächsten Einkauf in der Apotheke.

Zahlen und Fakten

Von 100 generikafähigen Wirkstoffen im Jahr 2000 stieg die Zahl auf 270 generikafähige Wirkstoffe im Jahr 2016 an.

Unter den zwanzig Wirkstoffen mit dem höchsten Generikaanteil sind Pantoprazol (Magensäuresenker) und Atorvastatin (Cholesterinsenker) die absoluten Spitzenreiter.

Generika haben einen wertmässigen Marktanteil von rund 19 Prozent.

Durch die Substitution mit Generika wird die Einsparung im Gesundheitswesen auf rund 363 Millionen Franken für das Jahr 2016 geschätzt.


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