Schnupfen, Halsweh, Husten – die Beschwerden sind lästig, und man möchte so rasch wie möglich wieder fit sein. Da scheint der Griff zu Antibiotika verlockend. Doch der übereilte Einsatz ist womöglich völlig fehl am Platz und fördert die Entstehung von Resistenzen.
Von Dr. pharm. Chantal Schlatter, Apothekerin
Zwei Dinge muss man über Antibiotika wissen. Erstens: Sie bekämpfen nur Bakterien. Gegen Viren sind sie machtlos. Und: Erkältung und Grippe werden durch Viren ausgelöst. Zweitens: Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto rascher entstehen resistente oder gar multiresistente Keime, die ausser Kontrolle sind. Sie sind eine echte Bedrohung und fordern immer mehr Todesopfer. – Wie war es noch damals, als es keine Antibiotika gab und bakterielle Infekte die häufigste Todesursache waren?
Fehler passieren
Bakterien vermehren sich durch Zellteilung. Vor jeder Teilung verdoppeln sie ihre genetische Information, die DNS, und geben eine Kopie davon in die neue Zelle. Auf diese Weise sind theoretisch alle Nachkommen identisch. Nicht so in der Praxis: Flüchtigkeitsfehler beim Abschreiben der DNS, sogenannte Mutationen, sorgen für eine gewisse Vielfalt. Und weil sich Bakterien ziemlich schnell vermehren, kommt das recht häufig vor. Veränderte Erbinformationen bedeuten veränderte Merkmale. Im schlimmsten Fall führen diese neuen Eigenschaften dazu, dass das Antibiotikum diesem Bakterium nichts mehr anhaben kann.
Wie Resistenzen entstehen
Solche Veränderungen geschehen immer, unabhängig davon, ob ein Antibiotikum eingenommen wird oder nicht. Der Punkt ist, dass während einer Antibiotikatherapie nur die Bakterien überleben, die dank Mutation resistent geworden sind. Während einer Antibiotikatherapie werden sie aus all den Varianten herausgezüchtet. Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto rascher geschieht das. Dazu kommt, dass Bakterien die Resistenzgene auch untereinander austauschen können. Deshalb sollten diese wertvollen Medikamente nur eingesetzt werden, wenn es wirklich nötig ist.
Ist die Erkältung viral oder bakteriell?
Antibiotika sind nur gegen Bakterien wirksam. Halsweh, Husten und Schnupfen, die klassischen Symptome von Erkältung und Grippe, werden in neun von zehn Fällen ausschliesslich durch Viren verursacht. Hier sind Antibiotika völlig wirkungslos. Allerdings sind die angegriffenen Schleimhäute nun weniger widerstandsfähig. So kann es auf dem Boden einer viralen Infektion zu einer zusätzlichen Infektion mit Bakterien kommen, welche den Krankheitsverlauf verschlimmert. In diesem Fall ist es womöglich notwendig, die bakterielle Infektion mit einem Antibiotikum zu bekämpfen.
Selbstest aus der Apotheke
Wie weiss man nun aber, ob ein Antibiotikum überhaupt sinnvoll wäre und sich der Gang zum Arzt deswegen lohnt? Mit dem einfachen Selbsttest aus der Apotheke oder Drogerie kann jeder selbst bei sich zu Hause herausfinden, ob eine bakterielle Infektion vorliegt oder nicht. Der Test erkennt Entzündungsfaktoren im Blut, die speziell bei Infektionen mit Bakterien entstehen. Sind solche Entzündungsfaktoren vorhanden, ist der Test positiv, und das weitere Vorgehen sollte mit dem Arzt besprochen werden. Mithilfe eines solchen Selbsttests werden unnötige Antibiotikaeinnahmen und die Bildung von Resistenzen reduziert. Denn die Entscheidung zur Antibiotikatherapie muss gut begründet sein, damit jeder im Ernstfall von der lebensrettenden Wirkung profitieren kann.