HIV und Aids: Nicht nachweisbar - nicht übertragbar

Anfang Juni in Zürich die Gay Pride. Das Interesse am Thema freilich sinkt. Ausserhalb der homosexuellen Gemeinschaft interessieren sich immer weniger Menschen für HIV und Aids. Geblieben sind die Vorurteile.

 

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HIV steht für Humanes Immundefizienz-Virus. Es wird über Blut- und Körperflüssigkeiten übertragen und befällt Zellen des Immunsystems, die deswegen nach und nach absterben. Daraus resultiert die Immunschwäche Aids. «Aids» ist die Abkürzung für Acquired Immune Deficiency Syndrom und ist die letzte Stufe der HIV-Erkrankung mit lebensgefährlichen Infektionen und Krebs. 

Entdeckt wurde das Virus Anfang der 1980er Jahre und war damals nicht therapierbar. 1987 kam das erste Medikament auf den Markt – mit bescheidenem Therapieerfolg und schwerwiegenden Nebenwirkungen. Heute lässt sich eine HIV-Infektion so behandeln, dass der Patient bei guter Lebensqualität eine fast normale Lebenserwartung hat. Die Infektion ist aber nicht heilbar, eine Impfung gibt es nicht, und ganz weg geht das HI-Virus nie – es «schlummert» in bestimmten Körperzellen weiter.

Betrifft nicht nur Homosexuelle

Seit dem Start der Epidemie haben sich insgesamt 76 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Bis heute sind über 35 Millionen Menschen an Aids gestorben. 2016 waren weltweit rund 37 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, rund eine Million Menschen starb an Aids. Und noch immer infizieren sich jährlich rund 1,8 Millionen Menschen neu mit dem Virus. Heute nehmen die Neuinfektionen in Osteuropa und Zentralasien dramatisch zu, während in Subsahara-Afrika – der Region mit den meisten HIV-Patienten – die Neuinfektionen dank deutlich besserem Zugang zu den Medikamenten zurückgehen. In der Schweiz leben heute bis zu 20'000 Menschen mit dem HI-Virus. Und das betrifft keinesfalls nur die Jungen und Schwulen. Laut einer Studie des Studie des European Center for Disease Prevention and Control ECDC in 16 verschiedenen europäischen Ländern betrifft 1 von 6 Neuinfektionen Personen, die über 50 Jahre alt sind. Ältere HIV-Infizierte hatten sich häufiger über einen heterosexuellen Kontakt infiziert. Für die Schweiz bestehen zwar keine entsprechenden Daten, sie dürften jedoch ähnlich sein.

Heute kann man die Krankheit behandeln

Junge Menschen wissen kaum noch, was HIV/Aids genau ist. Ältere hingegen haben die Schreckensberichte über Aids noch in guter Erinnerung. Geblieben ist bis heute ein grosses Unbehagen, wenn jemand sagt: «Ich bin HIV-positiv.» Dabei ist es höchste Zeit, umzudenken. «HIV-Positive ohne nachweisbare Viruslast müssen nicht mehr befürchten, dass sie ihre Sexualpartner oder -partnerinnen anstecken. Mütter unter effizienter HIV-Therapie übertragen das Virus nicht auf ihr Kind, und die Fortpflanzung kann natürlich erfolgen.» Das sagt die Eidgenössische Kommission für sexuelle Gesundheit EKSG in ihrem Swiss Statement.

Nicht nachweisbar – nicht übertragbar

Zu verdanken ist diese erfreuliche Tatsache unter anderem der Pharmaforschung. Heute kann bei frühzeitiger Diagnose das HI-Virus so unter Kontrolle gehalten werden, dass es im Blut nicht mehr nachweisbar und entsprechend auch nicht mehr übertragbar ist. Gleichzeitig ermöglichen moderne Therapien auch eine immer besser werdende Lebensqualität. Das Immunsystem ist weniger geschwächt, die Nebenwirkungen sind nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren, als Patienten eine Handvoll Tabletten mehrmals pro Tag einnehmen mussten. Die Lebenserwartung HIV-positiver Menschen in der Schweiz nähert sich der Normalbevölkerung an.

Die frühzeitige Behandlung Neuinfizierter unterstützt die HIV-Prävention. Es gibt Modelle die zeigen, dass bei einer frühzeitigen, flächendeckenden Behandlung die HIV Epidemie gestoppt werden kann. 2014 hat UNAids - ein Programm der UNO zur Bekämpfung von HIV/Aids - das Ziel definiert, bis 2020 90% aller HIV-positiven Menschen weltweit zu diagnostizieren. Davon sollen 90% therapiert sein und von diesen wiederum 90% viral unterdrückt sein. UNAids geht davon aus, dass durch Erreichen dieses Ziels die Aids-Epidemie weltweit bis 2030 beendet werden kann.

Stigmatisierung geht weiter

2015 wurden bei der Aids-Hilfe Schweiz 115 Diskriminierungsfälle gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte erheblich grösser sein. Nach wie vor werden viele Menschen mit der Diagnose HIV ausgeschlossen, stigmatisiert. Und es gibt auch immer noch zu viele Menschen, die aus Angst vor einer gesellschaftlichen Isolierung trotz Risikosituation keinen Test durchführen. 

Paradoxerweise führt genau diese überholte Haltung der Gesellschaft und damit verbunden die Angst der Risikogruppen dazu, dass die Eindämmung von HIV unter Umständen noch länger andauert. Es braucht entsprechend noch mehr Aufklärung und Information. Nicht nur an den Gay Prides respektive dem Christopher Street Day am jeweils letzten Samstag im Juni oder am Welt-Aids-Tag, sondern auch ausserhalb der Community homosexueller Menschen. Denn noch immer ist die HIV-Infektion eine chronische Erkrankung. Betroffene Menschen leben mit ihrer Krankheit, setzen sich jeden Tag damit auseinander. Sie haben ein Recht darauf, in die Gesellschaft integriert zu sein.

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