Rückenschmerzen vorbeugen und behandeln

Acht von zehn Personen leiden mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen. An welcher Form leiden Sie?

iStock/Milan Marjanovic

"Ein schöner Rücken kann auch entzücken." Doch nicht nur schön sollte er sein, sondern vor allem gesund. 80% der Schweizer Bevölkerung entwickelt mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen.  Dr. med. Michael Betz, Oberarzt  für Wirbelsäulenchirurgie an der orthopädischen Universitätsklinik Balgrist in Zürich, erklärt im Interview mögliche Gründe von Rückenschmerzen, was ein Hexenschuss ist und welchen Einfluss wir darauf haben, Rückenschmerzen vorzubeugen.

Von Jeannette Enders

Dr. Betz, was sind Rückenschmerzen und wodurch entstehen sie?

Rückenschmerzen sind meist unspezifisch, d.h. dass der Grund für die Beschwerden nicht eindeutig erkennbar ist. Häufig verschwinden diese Schmerzen nach kurzer Zeit und bedürfen keiner weiteren Abklärung. Spezifische Rückenschmerzen hingegen sind auf eine eindeutige Ursache zurückzuführen, die weiter abgeklärt und behandelt werden muss. Beispiele wären schwere Abnützungen der Bandscheiben, Wirbelkörperbrüche, Infektionen oder – sehr selten – eine Tumorerkrankung. Bei ausstrahlenden Schmerzen in die Beine, muss auch an einen Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanaleinengung gedacht werden. Der Spinalkanal ist der Kanal innerhalb der Wirbelsäule, in dem die Nerven verlaufen.

Wann gelten Rückenbeschwerden als chronisch?

Bleiben Rückenschmerzen mehr als zwölf Wochen bestehen gelten sie als chronisch.

Was versteht man unter einem Bandscheibenvorfall?

Von einem Bandscheibenvorfall spricht man, wenn sich Teile einer Bandscheibe von der Bandscheibenmasse lösen und in den Spinalkanal eindringen. Das ausgetretene Bandscheibenmaterial kann zu einer Kompression der Spinalnerven führen, was zu starken Beinschmerzen, Sensibilitätsstörungen und Lähmungen führen kann. Der lumbale Bandscheibenvorfall ist die häufigste Ursache von Rückenbeschwerden, die mit starken Beinschmerzen einhergehen.

Was ist der Unterschied zwischen Hexenschuss und Ischias?

Als Hexenschuss wird umgangssprachlich ein plötzlich auftretender, stechender und anhaltender Schmerz, insbesondere im Lendenwirbelbereich mit nachfolgender Bewegungseinschränkung bezeichnet. Als Ursache sind insbesondere Muskelverspannungen zu nennen. 
Kommt es durch einen Bandscheibenvorfall oder durch eine Einengung des Spinalkanals zu einer Kompression der Spinalnerven, so kann es zu einer in die Beine ausstrahlenden Schmerzsymptomatik kommen, eine sogenannte Lumboischialgie. Landläufig spricht man dann von einem Ischias oder Ischiassyndrom.

In welchen Fällen sollte ein Arzt aufgesucht werden?

Patienten, die länger als zwei Wochen unter Rückenschmerzen leiden, sollten einen Arzt konsultieren. Anders ist das bei Patienten, bei denen Rückenschmerzen mit Lähmungen oder Taubheitsgefühlen einhergehen. Mit solchen Symptomen sollte man unverzüglich zum Arzt gehen oder aber eine Notfallstation eines Spitals aufsuchen.

Wie stellt man die Diagnose von Rückenschmerzen?

Zur Diagnose genügt meist eine genaue Befragung und körperliche Untersuchung. Klingen die Beschwerden nicht spontan ab beziehungsweise verbessern die ersten physiotherapeutischen Behandlungen nichts, sind weitere Konsultationen zur Abklärung notwendig. Hier können dann eine zusätzliche Bildgebung mit Röntgen, Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT), Computertomografie (CT), oder eine Laboruntersuchung notwendig sein. 

Wer ist am meisten von Rückenschmerzen betroffen?
Etwa 80% der Erwachsenen haben mindestens einmal in ihrem Leben Rückenschmerzen. Frauen sind häufiger von Rückenschmerzen betroffen als Männer. Rückenschmerzen werden auch bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger beobachtet.

Die Zahl der Patienten, die an der Volkskrankheit Rückenschmerzen leiden, nimmt zu? Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe?

Dafür ist einerseits die demographische Entwicklung mit zunehmender Alterung der Bevölkerung verantwortlich. Mit zunehmendem Alter steigt die Anfälligkeit für Rückenschmerzen. Andererseits sind auch immer mehr Kinder und Jugendliche von Rückenschmerzen betroffen. Hier könnte die zunehmende Bewegungsarmut von Kindern und Jugendlichen eine Rolle spielen. 

Wie kann man Rückenbeschwerden gezielt vorbeugen? Inwieweit hilft Bewegung?

Bewegung und sportliche Aktivität sind die besten Mittel, um Rückenbeschwerden vorzubeugen. Dabei ist es wichtig, die sportliche Aktivität der eigenen Leistungsfähigkeit anzupassen, denn auch zu viel Belastung kann zu Rückenschmerzen führen. Eine weitere Möglichkeit Rückenschmerzen vorzubeugen ist eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, welche einen regelmässigen Haltungswechsel und Bewegungspausen ermöglicht.

Wann sollte man zu Medikamenten, Tabletten, Salben, Wärmepflastern greifen?

Wenn Rückenschmerzen so heftig werden, dass die eigentlich wirksame Bewegung schwer fällt oder unmöglich erscheint, können Medikamente die Schmerzen erfolgreich lindern. Arzneimittel können also helfen, wieder aktiv zu werden, um dann die Schmerzen durch Bewegung erneut anzugehen. Die Arzneimitteleinnahme sollte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen sein. 

Welche alternativen Behandlungsmethoden gibt es?

Physiotherapie zur Kräftigung der Muskulatur, schmerzlindernde Massagen oder Chiropraktik sind gängige Alternativen zur Einnahme von Medikamenten. Daneben können auch Verfahren wie beispielsweise Akkupunktur eingesetzt werden.

Wann ist eine OP notwendig?

Solange es sich um isolierte Rückenschmerzen handelt, kann auf eine Operation in den meisten Fällen verzichtet werden. Wenn Rückenschmerzen jedoch mit Lähmungen und Sensibilitätsstörungen einhergehen, kann eine Operation notwendig werden. Je nach Befund stehen unterschiedliche Operationsverfahren zur Verfügung. Auch erfordern gewisse Wirbelkörperbrüche oder Tumore eine operative Stabilisierung.

Inwieweit sind Rückenbeschwerden auch ein Zeichen psychischer Überlastung?

Auch psychische Belastungen und besondere Lebensumstände können mit  Rückenschmerzen einhergehen. Darunter fallen beispielsweise Niedergeschlagenheit oder Depression, Stress am Arbeitsplatz oder der Verlust einer nahestehenden Person.

Dr. Betz: Was würden Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Eine ausgewogene Ernährung, regelmässige Bewegung und Sport sind die besten Mittel um Rückenschmerzen vorzubeugen. Kurz: Ein gesunder Lebensstil ist das beste Rezept für einen guten Rücken.

Fakten über Rückenschmerzen

80% der Weltbevölkerung hat mindestens einmal im Leben Kreuzschmerzen. Sie sind hinter einfachen Erkältungen die zweithäufigste gesundheitliche Störung der Menschheit.
80% der Schweizer Bevölkerung entwickelt mindestens 1x im Leben Rückenschmerzen.
Jede dritte ärztliche Konsultation in der Allgemeinpraxis geht auf Rückenschmerzen zurück.
Bei rund 85 von 100 Menschen mit Schmerzen am Rücken findet der Arzt keine Ursache für die Beschwerden. Bei 90% der Patienten klingt der Schmerz innerhalb 2-6 Wochen wieder ganz ab.

SOS -  Bei diesen Vorfällen schnell zum Arz
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  • Schmerzen, die in Arm oder Bein ausstrahlen
  • Taubheitsgefühl, Kribbeln in Fuss oder Zehen
  • Gefühlsstörungen am Bein
  • Lähmungserscheinungen in Arm oder Bein
  • Allgemeines Unwohlsein verbunden mit Fieber, Gewichtsabnahme oder anderen Beschwerden
  • Schmerzen nach einem Unfall
  • zusätzliche Schmerzen in Brust oder Bauch

Ursachen von chronischen Rückenschmerzen

  • Mangelnde Bewegung und Fehlbelastung
  • Psychische Faktoren wie Stress, Ärger, Schmerzbewältigung
  • Degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat (= Abnutzungserscheinungen)

Rezept für einen gesunden Rücken

  • Bewegung: regelmässig und in Massen
  • bei der Arbeit oder zu Hause: Rückenhaltung abwechseln
  • in der Freizeit: Ausdauersportarten wie zügiges Gehen, Nordic Walking oder Schwimmen

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