Musik - das beste Training fürs Gehirn

Sie möchten gerne Ihre Intelligenz steigern, Ihre Kreativität erhöhen und lösungsorientiertes Handeln üben? Ihre Sozialkompetenz verbessern und bei alledem auch noch Ihr Gedächtnis stärken?

– Wie wär’s mit einem neuen Hobby?

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Musik ist etwas vom Seltsamsten, was die Menschheit je hervorgebracht hat. Für das nackte Überleben ist sie überflüssig. Nun, das gilt für andere Künste auch. Doch anders als ein Gemälde oder eine Skulptur stellt Musik die Welt nicht dar. Ein Akkord hat keine eindeutige Bedeutung, eine Melodie macht keinen Sinn! Und doch berührt sie unsere Seele stärker als alles, was die Vernunft in unserem Kopf hervorzubringen vermag: Musik erzeugt Gefühle. Oder mit den Worten des Victor Hugo: «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.» Keine Kultur, keine Nation dieser Welt kommt ohne sie aus.

Musikhören beeinflusst unser Wohlbefinden

Musik hat einen grossen Einfluss auf unsere Stimmung. Musik ist suggestiv. Im Actionfilm fordert sie den Blutdruck heraus, beim Liebesfilm ihren Tribut an Tränen. Sie treibt den Körper beim Training vorwärts, verleiht Bewegung einen Rhythmus. Wühlt auf oder beruhigt. Beschwingt und beglückt. Sie ist untrennbar mit bestimmten Erlebnissen, Emotionen und Lebensabschnitten aus der Vergangenheit verknüpft. Und wer weiss? Vielleicht prägt sie sogar unsere Zukunft? Denn Musik beeinflusst auch den Charakter eines Menschen und dient ihm zur Identifikation: «Zeige mir deine Playlist, und ich sage dir, wer du bist!» 

Um Musik wahrzunehmen, muss das Gehirn die akustischen Signale, die im Prinzip nichts anderes sind als mathematisch berechenbare Luftschwingungen, die sich nach physikalischen Regeln überlagern, in einem aufwendigen, mehrstufigen Verfahren verarbeiten. Das blosse Hören von Musik ist also schon reichlich kompliziert, doch ist das nichts im Vergleich zu dem, was in unserem Gehirn geschieht, wenn wir selber Musik produzieren!

Musizieren macht intelligent

Worin liegt aber der Unterschied zwischen aktivem und passivem Musizieren? Das besondere beim Musizieren ist, dass dabei nicht nur ein spezielles Gehirnareal, nein auch nicht zwei oder drei, sondern sämtliche Bereiche unseres Gehirns zum Einsatz kommen, wie moderne Gehirnscans zeigen konnten. Alleine das Singen erfordert viel: zuerst das Einatmen, dann das Anspannen der Bauch- und Zwerchfellmuskulatur, das Formen der Lippen, Herausfliessen der Luft, ganz zu schweigen vom Treffen der richtigen Töne. Selbst ein kleines «Alle meine Entchen» ist hochkomplex! 

Das Spielen eines Instruments ist noch anspruchsvoller. Hörsinn, Sehsinn, Tastsinn, Motorik, Rhythmik und Ausdruck, Konzentration, Koordination und Timing sind gefordert und werden trainiert. Dauerhaft. Das ist das Beste daran! Die ersten strukturellen Veränderungen im Gehirn eines neugeborenen Pianisten sind bereits nach den ersten zwanzig Minuten Übungszeit zu erkennen, beispielsweise anhand einer intensivierten Kommunikation zwischen den Hör- und Bewegungsarealen seines Denkorgans.

Willkommener Nebeneffekt

Musizieren verändert also die neuronale Hardware im Kopf. Diese Form des Gehirnjoggings fördert zudem eine Reihe weiterer Fähigkeiten, die auch sonst noch ganz nützlich sind: Kommunikation, Fokussierung, Gedächtnis, Ausdauer, Geschicklichkeit, Einfühlungsvermögen, strategische Planung und gezieltes Handeln sowie die Verfolgung von langfristigen Zielen. Und hat diese Erkenntnis erst einmal bei den Personalchefs die Runde gemacht, sollten Sie Ihre musikalischen Ambitionen unbedingt im Bewerbungsgespräch erwähnen!

Spass beiseite: Unter all den erforschten Tätigkeiten und deren Auswirkungen auf das menschliche Gehirn konnte bisher nichts entdeckt werden, was die geistigen Fähigkeiten umfassender fördern würde als das Spielen eines Musikinstruments. Keine Rechenaufgabe, Schachpartie oder Sportart kann es damit aufnehmen! Per sofort werden wir deshalb jeden musikalischen Anfängen den gebührenden Respekt erweisen. Der blosse Versuch ist Musik in unseren Ohren. Denn wer immer ein Instrument in seine Hände nimmt und damit Töne produziert oder einfach nur unter der Dusche sein Lieblingslied trällert, könnte gerade nichts besseres tun: Er absolviert ein Ganzkörper-Workout fürs Gehirn.

Kinder werden sozialer

In jungen Jahren ist das Gehirn noch sehr plastisch. Das bedeutet, dass sich Nervenzellen und die jeweiligen Verbindungen dazwischen ‒ ja ganze Hirnareale ‒ zwecks Optimierung häufig benötigter Prozesse in ihrer Anatomie und Funktion verändern können. Diese Eigenschaft bleibt eigentlich lebenslang erhalten, benötigt mit zunehmendem Alter aber vielleicht stärkere Reize, d.h. intensiveres Üben. Während Kinder selbstverständlich genau wie Erwachsene von den oben genannten Nebenwirkungen des Instrumentalunterrichts profitieren, hat das Musizieren in der Gemeinschaft einer Schulklasse viele weitere positive Auswirkungen gezeigt: verbesserte Sozialkompetenz, Teamfähigkeit und emotionale Stabilität. In Musikklassen werden Mitschülerinnen und Mitschüler deutlich seltener ausgegrenzt. Vielleicht deshalb, weil man gelernt hat, aufeinander zu hören und Rücksicht zu nehmen. Bei Erwachsenen konnten ähnliche Effekte nachgewiesen werden: Beim Duett der Gitarren synchronisierten sich die Hirnaktivitäten der beiden Spieler, und Chormitglieder setzten vermehrt Beziehungshormone frei.

Profimusiker haben andere Gehirne

Professionelles Musizieren auf hohem Niveau gehört zu den anspruchsvollsten menschlichen Leistungen, die es gibt. Das erfordert ein entsprechendes Equipment. Ähnlich wie die Muskulatur eines Sportlers wächst auch das Musikergehirn mit seinen Aufgaben: Die Verbindung zwischen der rechten und linken Hirnhälfte beispielsweise ist bei Profimusikern deutlich dicker geworden. Dadurch werden insbesondere solche Gebiete besser vernetzt, welche für die Planung und Umsetzung von Handlungen verantwortlich sind. Ebenfalls vergrössert sind die Hand- und Hörareale im Gehirn.

Doch das Gehirn wächst nicht über Nacht: Im Schnitt zehn Jahre mit 10 000 Übungsstunden hat ein 18-jähriger Bewerber an einer Musikhochschule hinter sich gebracht. Das sind zweidreiviertel Stunden Übungszeit pro Tag! ‒ Aber es muss ja nicht jeder zum musikalischen Muskelpaket werden. Auch leichtes musikalisches Ausdauertraining zur Freude und Zerstreuung erhöht die geistige Fitness.

Die beste Altersvorsorge, die es gibt

Regelmässiges Musizieren schützt vor Demenz. Es verlangsamt das Fortschreiten des Gedächtnisverlusts und fördert die Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand: Musizieren schafft zusätzliche Ressourcen, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Ein gut vernetztes Gehirn kann Ausfälle lange Zeit kompensieren. Neuronale Abbauvorgänge können verlangsamt oder sogar wieder rückgängig gemacht werden. Auch bei Patienten, die bereits unter Gedächtnis- und Sprachverlust leiden, steigert das schrittweise Erlernen von einfachen musikalischen Sequenzen, beispielsweise am Klavier, die kognitive Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus ruft sowohl das Anhören von Musik als auch das aktive Musizieren in uns Glücksgefühle hervor, die über Jahrzehnte stabile Gedächtnisspuren hinterlassen, die dann im Alter beim Nachlassen der geistigen Funktionen genutzt werden können. ‒ Sie sehen also: Es ist stets ein Gewinn und nie zu spät, mit dem Erlernen eines Musikinstruments zu beginnen!

 

Von Dr. pharm. Chantal Schlatter

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